Choreografische Uraufführung | 29. August 2009 Opernhaus Zürich |
Choreographie | Heinz Spoerli |
Musik | Leoš Janáček |
Bühne | Florian Etti |
Kostüme | Nelly van de Velden |
Arsen Mehrabyan und Damen des Zürcher Balletts
Musik
Leoš Janáček (1854-1928)
Streichquartett Nr. 2 "Intime Briefe"
Andante con moto - Adagio - Moderato - Allegro
Aliya Tanykpayeva und Arsen Mehrabyan
Fotos Peter Schnetz
Aliya Tanykpayeva | Arsen Mehrabyan |
Alicia Beck | Artur Babajanyan |
Juliette Brunner | Bryan Chan |
Nora Dürig | Oleksandr Kirichenko |
María Pia Hernández | Sergiy Kirichenko |
Vittoria Valerio | Daniel Mulligan |
Yuriy Volk |
Musikalische Inspiration für die Choreografie des Zürcher Ballettdirektors war Leoš Janáčeks Streichquartett «Intime Briefe» – eine faszinierende Komposition des über siebzigjährigen Komponisten, der seine modernsten Werke erst ganz am Ende seines erfüllten Lebens geschaffen hat; das Publikum des reifen Komponisten zeigte sich immer
wieder überrascht von der jugendlichen Frische seiner Musik. Es war die leidenschaftliche Liebe zu der jungen, verheirateten Kamila Stösslova, die Janáček zu einigen seiner bedeutendsten späten Werke inspirierte; an Kamila richtete er zahllose Briefe, und nur für sie hielt er, manchmal mehrmals täglich, musikalische Gedanken und Notizen
in einem Album fest. Natürlich blieb diese Leidenschaft von Janáčeks Ehefrau nicht unentdeckt, aber Janáček führte die Beziehung zu der vierzig Jahre jüngeren Kamila bis zu seinem Tode weiter.
Das Streichquartett «Intime Briefe» stellte Janáček in seinem letzten Lebensjahr fertig, die Uraufführung im September 1928 erlebte er nicht mehr.
Ursprünglich hatte Janáček den Titel ‹Liebesbriefe› für seine Komposition verwendenwollen, diesen dann aber in «Intime Briefe» geändert. An Kamila Stösslová schrieb er: «Ich habe begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll «Liebesbriefe» heissen. Ich glaube, es wird reizend klingen. Wir hatten ja genug Erlebnisse. Die werden wie kleine Feuer in meiner Seele sein und in ihr die schönsten Melodien entfachen.»
Vor diesem ganz konkreten autobiografischen Hintergrund entwickelt Heinz Spoerli seine eigene tänzerische Interpretation von Janáček Musik. Er wird dabei nicht versuchen, die Dreiecksgeschichte zwischen Janáček, seiner Geliebten und seiner Ehefrau choreografisch nachzuerzählen, sondern vielmehr abstrakte Formen finden, mit dem emotionalen Gehalt, ja der emotionalenWucht umzugehen, die diese Musik enthält. Es sei nicht einfach, so erläutert Spoerli im Gespräch, diese Musik in Tanz zu übersetzen, mit dem dauernden Abbruch, den ständigen Zweifeln in der Musik umzugehen – es bedeute, «sich emotional nackt auszuziehen». Man könne, so Spoerli, nur «Partner der Musik» sein, sich vollkommen auf sie einlassen und sich von ihr ein Stück weit treiben lassen – und dann auch aushalten, dass man hin und wieder an eine Wand stosse und nicht wisse, wie man durch sie hindurchgehen soll. Im Zentrum der Choreografie steht die männliche Hauptfigur (getanzt von Arsen Mehrabyan), die Assoziationen an den Komponisten Leoš Janáček zulässt, aber keinesfallsmit diesem identisch ist; eine Figur auf der Suche nach Halt und Balance, der Liebe zu einer Frau (getanzt von Aliya Tanykpayeva) hoffnungslos erlegen, aber gleichzeitig voller Zweifel und ohne den Mut, diese Liebe wirklich anzunehmen und zu leben. Gespiegelt werden die Emotionen der beiden Liebenden von fünf weiteren Paaren, die in unterschiedlichen Konstellationen in Beziehung treten zu den Hauptfiguren, diese einladen, bedrängen oder allein lassen – eine äusserst spannungsvolle tänzerische Umsetzung von Janáčeks dichter, emotionsgeladener Musik.
Lettres intimes (Heinz Spoerli) / Sarcasms (Hans van Manen) /
In the Upper Room (Twyla Tharp)